In unserem modernen Sprachgebrauch, in dem wir gerne mit extremen Adjektiven wie „episch“ um uns werfen oder beispielsweise „-mageddon“ zu einem Ereignis hinzufügen, beispielsweise zu 7 cm Neuschnee, ist es schwierig, herauszufinden, was ein echtes Problem ist und wobei es sich lediglich um einen Hype handelt. Ich befinde mich nicht im „Hype“-Modus, wenn ich sage, dass digitaler Sehstress in unserer modernen digitalen Gesellschaft bereits eine Epidemie ist und sich nach und nach zu einer Pandemie ausweitet.
Zuerst werde ich mir eine gewisse Freiheit im Umgang mit diesen Definitionen erlauben. Es gibt jedoch keine besser geeigneten Begriffe, aus denen man wählen könnte. Die Abhängigkeit von unseren Smartphones, Tablets, Spielen und Bildschirmen ist keine Krankheit, obwohl die gesellschaftlichen Einflüsse schon die Merkmale einer Infektionskrankheit aufweisen. Das iPhone hat gerade seinen 10. Geburtstag gefeiert, und die Abhängigkeit davon hat im Laufe der Zeit immer mehr zugenommen. Für ein Stück Technik, das in unsere Gesellschaft eindringt und unser Verhalten beeinflusst, ist das jedoch eine relativ kurze Zeit, wenn man bedenkt, wie Radio, Fernseher und Computer vor dem Aufkommen der Smartphones das Verhalten der Menschen beeinflusst haben.
Niemand stirbt an digitalem Sehstress. Warum sollte man sich also darum kümmern?
An meinem Arbeitsplatz zählen Schwankungen des Sehvermögens zu den häufigsten Beschwerden, über die Menschen im Zusammenhang mit digitalem Sehstress klagen. Woran liegt das? Die Augenmuskeln, die für das Fokussieren zuständig sind, werden im Nahbereich stark beansprucht – das geschieht beim Betrachten von Bildschirmen, die 30–60 cm vom Auge entfernt sind. Es ist naturgemäß schwierig, sich auf einen Bildschirm zu konzentrieren, da dieser blaues Licht ausstrahlt. Während die Augen also nach einem Ziel (Bildschirm mit Hintergrundbeleuchtung) suchen, auf das sie sich fokussieren können, werden sie noch stärker belastet. Diese sich ständig wiederholende Bewegung führt dazu, dass der Muskel die Fähigkeit verliert, sich zu entspannen, und dieses Problem wird weiter verschärft, indem eine Reaktion des Muskelgedächtnisses ausgelöst wird. Deshalb sind die Augenmuskeln ständig in ihrem „Nahbereich“ aktiv.
Das temporäre Muskelgedächtnis können Sie mit dem Trick „schwebende Arme“ simulieren. Stellen Sie sich in einen engen Türrahmen (z. B. in eine Speisekammer). Drücken Sie die Rückseite Ihrer Handgelenke eine Minute lang so fest gegen den Türrahmen, wie Sie nur können. Dann treten Sie aus dem Türrahmen heraus und lassen Sie die Arme locker an den Seiten nach unten fallen. Aber das wird nicht funktionieren! Stattdessen werden sie von Ihrem Körper weg nach oben „schweben“. Im Grunde „drücken“ Ihre Augen Stunde um Stunde gegen den Bildschirm. Wenn sich Ihr Kopf vom Bildschirm weg bewegt, denken Ihre Augen, dass sie sich noch vor dem Bildschirm befinden und somit kommt es durch die fehlende Akkommodation zu einer Schwankung des Sehvermögens.
Werden alle unsere Patienten durch das digitale Sehstressarmageddon endlose Qualen erleiden? Nur, wenn wir es zulassen!